Sein oder Schein?

Wirklichkeit oder Illusion?

Bourgeois oder Gentilhomme?

In einer Zeit, in der die sozialen Netzwerke geradezu dazu einladen, dass wir uns in eine Kultur des Scheins flüchten, ist es wohl angebracht, daran zu erinnern, dass es dieses Bestreben, ein Bild von sich zu entwerfen, sich sozial höher zu positionieren, einem Schein zu genügen, auch schon in früheren Jahrhunderten gab, so zum Beispiel in der Gesellschaft des 17. Jahrhunderts in Frankreich. Das zeigt die Komödie Le Bourgeois Gentilhomme (Der bürgerliche Edelmann) von Molière, in der genau diese Eigenschaft bitterböse karikiert wird.

Der bürgerlich geborene Monsieur Jourdain hat nur ein Ziel, nämlich Edelmann zu werden. Und um dieses Ziel zu erreichen gibt er ein Vermögen aus, um in den unterschiedlichsten Künsten unterrichtet zu werden. So nehmen ihn Tanzlehrer, Musiklehrer, Philosophielehrer regelrecht aus, indem sie seine Illusion nähren, er könne auf diese Art und Weise wirklich adlig werden. Nur seine Frau und seine Dienerin Nicole durchschauen das böse Spiel. Sie erkennen, dass hier Betrüger am Werke sind, die die Schwachstelle des M. Jourdain gnadenlos ausnutzen, um sich selbst zu bereichern. Und M. Jourdain geht ihnen auf den Leim und fällt auf ihre falschen Schmeicheleien nur zu gern herein. Seine Verblendung geht sogar soweit, dass er seiner Tochter Lucile verbietet, ihren Geliebten Cléonte zu heiraten, nur weil dieser (auch) kein Edelmann ist. Erst die List des Dieners Covielle, machen diese Verbindung möglich. So werden am Ende die Eitelkeit und die Dummheit des bourgeois Monsieur Jourdain entlarvt, der sich dem Schein hingibt, etwas anderes werden zu können als er in Wahrheit ist, nämlich gentilhomme.

 

Dass dieses Laster der französischen Bourgeoisie des 17. Jahrhunderts auch in der heutigen Zeit nichts an Aktualität verloren hat, demonstrierten die Schauspieler des renommierten TNT THEATRE eindrücklich in der Aufführung am 11.11.2019 im Stadttheater Ingolstadt. Mit witzigen Tanz- und Musikeinlagen sowie turbulent gespielten Kampfszenen ist es ihnen gelungen, unsere Oberstufenschüler Französisch zu unterhalten und zu erheitern.

(Gerlinde Kelnhofer)